Campus
„Metamusik“ von Nepumuk und Retrogott. Ein Opus Oeconomicum
In der Landschaft deutschsprachigen Raps stehen Nepumuk und Retrogott als Streiter für die Liebe zur Musik, welche sie gegen die kommerzielle Anziehungskraft selbiger zu verteidigen suchen. Auf Metamusik finden die beiden Rapper zu etwas zusammen, was sich mal als Werbekritik, mal als antikapitalistisches Manifest und in wieder anderen Momenten als zeitgeistliche Persiflage offenbart, welche ihre Giftpfeile in alle Richtungen zu versprühen scheint.
Kontinuierlich wird das omnipräsente Auftreten von Werbung angeprangert. Die Message ist klar: Werbung begegnet uns nicht mehr nur in der Bahn, beim Autofahren, auf Internetseiten, im Wahlkampf oder zu Weihnachten – nein, Werbung hat nun auch das Album und damit die Kunst erreicht. Nepumuk und Retrogott lassen uns ihren Unmut über die ständige Aufforderung zum Konsum spüren, wenn sie etwa mit Songs wie „99cent“ eine provokative Werbepause auf ihrem eigenen Album platzieren; die beiden Rapper rufen zum Kauf irgendwelcher Produkte auf, als sprächen sie während eines Wocheneinkaufs über die Supermarktlautsprecher zu uns: „Bei unserem Arzneischrank wird man am liebsten gleich krank.“ Dass Hip-Hop augenscheinlich nicht vor der absoluten Kommerzialisierung gerettet werden konnte, thematisiert der Track „Gegensätze“: „Ihr rappt wie auf die Zielgruppe zugeschnitten“, lässt Nepumuk verlauten. Hier wird nicht bloß vom freien Markt, dem Kapital oder dem Konsum gerappt, sondern unter anderem ergründet, ob die Rolle als Produkt die Kunst von sich selbst und ihren Interpreten entfremdet. Die Antwort darauf bleibt Ablehnung und ein liebevolles Bekenntnis zu ihrem Oldschool-Flair, welcher Metamusik auf sämtlichen Tracks als jazziges Klangbild in eigens von Nepumuk und Retrogott produzierten Beats innewohnt.
Spätestens beim Hören von „99cent“ merken wir, dass hier etwas nicht stimmt, und werden uns gewahr, auf welcher Metaebene Metamusik eigentlich schwebt. Nepumuk und Retrogott nehmen ihre Plätze genau dort ein, wo sie Kritik üben möchten. Auf diese Weise werden Konsumierende als Konsumierende entlarvt, wenn die Rapper sie per Werbeunterbrechung ungeduldig auf die nächsten intelligenten Reimkaskaden auf einem Jazzbeatgemälde warten lassen – mit anderen Worten: Auf genau das, was Fans beider Rapper auf Metamusik erwarten und finden. Doch lässt sich die intellektuelle Herausforderung über alle 14 Tracks (abzüglich Bonussongs) nicht umgehen. Genau so wird es dem Hörer auf „Rauschen“ zu verstehen gegeben: „Angeklickt und geteilt heißt nicht gelesen und verstanden.“
Dieser gesellschafts- und kapitalismuskritische Anstrich begegnet den Zuhörenden auf so gut wie allen Tracks. Doch wendet man den ideologiekritischen Blick zeitweise ab, treffen wir auf zwei talentierte Musiker, welche ihrer Liebe zum Funk freien Lauf lassen. Schon in den ersten Lines des Song-Assortiments macht Nepumuk auf dem Titelsong klar, dass die Motivation seines Schaffens denkbar simpel gelagert ist: „Ich muss nicht rappen, aber besser als zu reden.“ Früh offenbart sich also die Triebkraft hinter dem Schaffen zweier Underground-Ikonen, deren Style und Lässigkeit nicht von dieser Welt zu sein scheint. An dieser Stelle zu verbildlichen, welche Auswüchse Hip-Hop in der Annäherung an die Massentauglichkeit erreicht hat, würde hier wie auch auf Metamusik wohl den Rahmen sprengen. Doch lässt sich keineswegs verleugnen, dass ein Musikstück, das rein von der Passion zweier Rap-Fanatiker getragen wird und sich vom kommerziellen Potenzial ihrer Musik bewusst abwendet, dieser Tage eine große Erfrischung des deutschen Rap darstellt.