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Düsseldorf

Zu sehen ist der Eingang der Bibliothek. Liks sind die Fenster des Erinnerungsorts im Bild. Eine Infotafel erstreckt sich über die gesammte Länge der Fensterfront. Im Hintergrund ist der Campus der HSD zu sehen.
Außenansicht des Erinnerungsorts und Bibliothekeingangs (Foto: Eva Marschall)

Erinnerungort Alter Schlachthof - Lernen und Erinnern

Ein Beitrag von Eva Marschall

Auf dieser Seite

Die Bibliothek der HSD ist ein Ort des Lernens. Doch wer hier lernt, betritt auch einen Ort der Erinnerung. Einen Ort der Erinnerung an die Verbrechen, des NS- Regimes.
Die Hochschule Düsseldorf steht seit 2015 auf dem Gelände des alten Schlachthofs an der Ratinger Straße. Die modernen Gebäude laden zum Studieren ein – von Design über Maschinenbau, bis hin zu Sozial- und Kulturwissenschaften - an der HSD können Interessierte viele verschiedene Studienfächer studieren. Ein Gebäude sticht auf dem modernen Campus der HSD optisch heraus: Die Bibliothek. Das alte Backsteingebäude hebt sich ab, von den mit Metall verkleideten großen Hochschulgebäuden. Und das ist beabsichtigt, denn hier stand die Großviehmarkthalle des Schlachthofs, die das NS Regime ab Oktober 1941 als Deportationssammelstelle für jüdische Menschen nutzte.


Hier, in Derendorf wurden am 27. Oktober 1941 1.003 Menschen, dazu gezwungen sich zu sammeln, um dann mit dem Zug nach Łódź verschleppt zu werden. Der erste von insgesamt 7 Transporten, mit denen insgesamt fast 6.000 Menschen deportiert wurden. Viele überlebten die Shoa nicht. Lange erinnerte nichts an die grausame Geschichte des Geländes. Viele Düsseldorfer:innen brachten es lange Zeit nur mit der Altbierbrauerei Schlösser in Verbindung, die hier bis zum Abriss 2002 ihr Bier produzierte. Mit der Hochschule öffnete auch der Erinnerungsort Alter Schlachthof seine Tür, um an die Geschichte des Ortes zu erinnern.

Der Erinnerungsort als Ort der Menschen

Der Erinnerungsort alter Schlachthof an der Münsterstraße wird von Dr. Joachim Schröder geleitet. Das Ziel ist es, an die von hier verschleppten Mensche zu erinnern und die Erforschung der NS Verbrechen damit zu verbinden. Links und rechts des Eingangs der Bibliothek erinnern in schmalen, nach außen verglasten Räumen, Fotos an die Verschleppten, die Helfer:innen und auch die Täter:innen. Der Eingang des Erinnerungsortes beginnt mit den Fotos der Menschen, die von hieraus die Züge nach Łódź, Minsk, Riga, Izbica und Theresienstadt (heute: Terezín) besteigen mussten.

Doch die Fotos zeigen sie nicht als Opfer mit geschorenen Köpfen oder ihre ausgehungerten, nackten Körper und Leichen. Hier werden nicht die Fotos der Nazis ausgestellt. Die Fotos, die hier gezeigt werden, sind die Fotos, die sie selbst gemacht haben und denen sie zugestimmt haben - aus der Zeit vor ihrer Verschleppung. Sie zeigen die Menschen in ihrem Alltag: Hochzeitsfotos, Portraits zu besonderen Anlässen, lachend mit Freund:innen und zuhause mit der Familie. Daneben werden die Geschichten hinter den Fotos gezeigt.

Wer die Treppe im Erinnerungsort hinunter geht, erreicht über einen restaurierten Viehabtrieb den unteren Eingang der Großviehmarkthalle. Der Erhalt dieses Viehabtriebs spielt eine didaktische Rolle. Er erinnert daran, dass die Menschen hier wie Vieh in die Halle getrieben wurden, um sich zu sammeln.
Dies lässt den Versuch der Entmenschlichung innerhalb des Erinnerungsortes sichtbar werden. Dieser ist auch Thema der Zeitzeug:innenberichte des Archivs im Erinnerungsort. Unter diesen Zeitzeug:innenberichten ist auch der von Hilde Sheman geb. Zander und Edith Devries, die von ihrer Verschleppung berichten. An zwei Multimediasäulen können Besucher:innen Zeitzeugenvideos abrufen, die sehr detailliert von den Verbrechen berichten. Die Betroffenen berichten, wie sie an diesem Ort durchsucht und gezählt wurden. Sie erzählen, dass sie 50kg Gepäck und eine Bettrolle, die 30cm Durchmesser und 70cm Länge haben durfte, mitbringen sollten und ihre Haustürschlüssel abgeben mussten. Und sie erzählen auch von den Düsseldorfer:innen, die durch die Vorhänge aus den Fenstern schauten und wegschauten und von den SS- Männern, die sangen.

Der Erinnerungsort als Ort des Forschens und Lehrens

Die Wissenschaftler:innen tragen mit der Untersützung anderer Beteiligter die Stimmen und Lebensläufe der Opfer zusammen. Sie arbeiten gemeinsam mit den Überlebenden, den Familien der Opfer, den Studierenden der HSD und anderen Organisationen und Erinnerungsstätten. Auch die Dokumente des an den Verbrechen beteiligten örtlichen Finanzamtes werden im Erinnerungsort ausgestellt. Die akribische Dokumentation der Nazis, dienen den Forschenden neben den Berichten von Zeitzeug:innen als Quelle. Diese Dokumente sind in einem digitale Archiv ist auch online einsehbar.
Parallel zu den Fotos jüdischer Menschen, ist auch die Galerie auf der anderen Seite des Eingangs von außen einsehbar. Hier zeigt der Erinnerungsort die Fotos lokaler Helfer:innen. Denn auch die gab es. Sie versteckten und versorgten ihre Mitbürger:innen und organisierten manchmal die Flucht. Pro versteckter Person rechnen Forschende mit 10-15 Helfenden. Ihre Geschichten findet man hier auch. Neben den Fotos der Täter, denn auch sie werden hier gezeigt.

Auf der Webseite der Erinnerungsortes, die unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Rakow entstand, wir die Bedeutung der Forschung an den Denkmustern und Feindbildern der Nazis betont. Außerdem werden hier die Nachwirkungen in der Gesellschaft der Bundesrepublik in Zusammenarbeit mit Studierenden und Lehrenden der HSD thematisiert. Mit den Verbrechen der lokalen Polizei und Behörden, die an den Verbrechen des NS-Regimes beteiligt waren, beschäftigen sich gemeinsam mit den hier Forschenden auch die Düsseldorfer Polizei und die Studierenden der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW. Denn neben dem Erinnern steht am Erinnerungsort auch die Prävention ähnlicher Taten klar im Mittelpunkt.

Ein Besuch beim, Erinnerungsort Alter Schlachthof

Wo?
Münsterstraße 156

Wann?
Montag bis Freitag von 9:00 bis 22:00 Uhr, 
Samstag und Sonntag von 11:00 bis 22:00 Uhr.    
An Feiertagen geschlossen.

Wieviel?
Der Eintritt ist kostenfei.

Der Erinnerungsort als Ort des Engagements

Das gemeinsame Zusammentragen und Erinnern ist fundamental für eine nachhaltige Aufklärung der NS-Verbrechen. Deshalb ist auch das Engagement der Studierenden und Lehrenden, die teilweise jahrelang Geschichten über die ganze Welt, bis in die USA und an den Niederrhein verfolgen, so wichtig. An der HSD können Studierende im Rahmen von Lehrveranstaltungen der Frage nachgehen, wie Erinnern gestaltet werden kann, wie Geschichten festgehalten werden können und wie eine Erinnerungskultur gestaltet werden kann.
Düsseldorf als Ort der Verbrechen ist noch lange nicht umfassend erforscht. Im Rahmen des Forschungs-Seminars „Spurensuche – Nachbarschaft, Vertreibung, Erinnerung“ unter der Leitung von Alexander Flohé und Joachim Schröder widmeten sich beispielsweise Studierende der HSD der Zwangsunterbringung jüdischer Menschen in Düsseldorf vor ihrer Deportation. Sogenannte „Judenhäuser“ waren ab 1938/39 im ganzen Regierungsbezirk Düsseldorf verteilt. Noch haben Forschende und Studierende diese Orte nicht vollständig erschlossen.
Mit der andauernden Forschung sollen in den nächsten Jahren immer mehr Lücken in der Düsseldorfer Stadtgeschichte geschlossen werden.