Düsseldorf
Mein (Düssel)Dorf
Ein persönlicher Beitrag von Karina Schwarzer
Das Städtchen mit 64.000 Einwohner:innen, in dem ich lebe, liegt genau zwischen Düsseldorf und Köln. Es ist zwar kein Dorf, unterscheidet sich aber dennoch erheblich von der Stadt Düsseldorf in die ich seit gut sechs Jahren mehrmals die Woche zum Studieren und Arbeiten pendle. Warum ich meine Freizeit aber lieber auf dem „Dorf“ verbringe und die Pendelei in Kauf nehme hat verschiedene Gründe.
Auf dem Weg zur Arbeit
Wenn ich Montagsmorgens ins Büro nach Düsseldorf-Oberkassel fahre, möchte ich beim Anblick der tausenden Bremslichter stadteinwärts, häufig gleich wieder umkehren. Nachdem ich den stockenden Verkehr hinter mich gebracht habe, fängt die Suche nach einem Parkplatz an. Vor der Pandemie bin ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln gependelt. Die erhebliche Zeitersparnis und das geringere Ansteckungsrisiko haben mich aber vom Autofahren überzeugt. Wenn ich mich dann seitwärts in die kleinste Lücke gekämpft habe, kommt das nächste Problem, denn man darf fast überall nur eine Stunde mit Parkscheibe stehen bleiben. Die Sinnhaftigkeit möchte ich an dieser Stelle nicht hinterfragen, auch wenn es weh tut eine Überweisung an die Stadt Düsseldorf zu tätigen, weil ich die Parkscheibe erst in der Mittagspause wieder umstellen kann.
In meiner Mittagspause
Ein absoluter Vorteil in Düsseldorf zu arbeiten, ist das abwechslungsreiche Angebot an Mittagstischen. Wenn ich mal nicht die Reste von gestern in der Büromikrowelle warm machen, nehme ich dieses Angebot gerne wahr. Türkisch, Japanisch, Mexikanisch und Vegan. In Oberkassel finde ich immer ein leckeres Mittagessen. Manchmal tut es aber auch ein belegtes Brötchen in der Papiertüte, dass ich dann am Rhein genieße. Das urbane Panorama kann mich dann auch gelegentlich beeindrucken.
Carrie Bradshaw in Düsseldorf-Oberkassel
Nicht nur das vielfältige Essen und der Panoramablick findet man nur in der Großstadt, auch nach der einzigartigen Architektur sucht man bei mir auf dem Dorf lange. Häufig fühle ich mich auf die Straße von Carrie Bradshaws New Yorker Apartment in Sex and the City versetzt – und das in Düsseldorf-Oberkassel. Neben den Hauseingängen der prächtigen Altbauwohnungen, erinnern mich auch die hochpreisigen Boutiquen und schicken Restaurants und Cafés an Filmkulissen von Metropolen wie Paris und New York.
Feierabend – raus aus der Stadt!
Nach Feierabend will ich diesem städtisch-romantischen Pseudoidyll aber schnell wieder entfliehen und freue ich mich, sobald ich die Autobahnabfahrt Richtung Dorf nehme. Parkplätze vor meiner Tür sind zahlreich vorhanden. Nicht selten kommt es vor, dass mir mein Nachbar von gegenüber, den jeder Opa Heinz nennt, fragend zuruft: „Feierabend?“, während er akkurat seine graue Mülltonne vor seiner Einfahrt platziert. Ich antworte „Gott sei Dank!“ und ehe ich meine Tonne vergesse, rolle ich sie ebenfalls nach vorne.
Ab auf den Campus
Leider studiere ich seit drei Monaten in meinem Dorf. Gelegentlich muss ich für Bücher oder Prüfungen auf den Campus. Der Campus in Düsseldorf ist für mich als Dorfkind ein echter Vorteil. Anders als z.B. in Köln oder Bonn, wo der Campus nicht nur mitten in der Stadt liegt, die einzelnen Fakultäten auch noch Kilometerweit voneinander entfernt sind, ist der Campus der HHU übersichtlich und alles Wichtige ist schnell zu erreichen. Vor der Pandemie traf man sich an der Heine Statur, holte sich einen Kaffee im Ex libris und trank ihn auf der Terrasse des Oeconomicums. Der Campus der HHU ist mit seiner ruhigen und für mich zentralen Lage, der optimale Ort zum Lernen.
Ruhe!
Ruhe ist ein wichtiges Stichwort. Letzten Sommer hatte ich eine Düsseldorfer Kommilitonin zum Grillen eingeladen. Sie genoss die wahnsinnige Ruhe, denn die gibt es bei ihr nicht. Außer dem Zirpen der Grillen war nichts zu hören. Ich erinnere mich an meinen letzten Besuch bei ihr in Oberbilk. Nachdem ich mich angespannt durch den Stadtverkehr gekämpft hatte, 20 Minuten verzweifelt einen Parkplatz gesucht habe, warf ich mich im sechsten Stock schweißgebadet auf ihr Sofa. Wir gingen in ein Straßencafé, nicht weit entfernt von ihrer Wohnung. Dicht am Straßenrand saßen die verschiedensten Menschen vertieft in ihre Handys und Laptops und nippten an ihren winzigen Espresso-Tassen. Ich fühlte mich fehl am Platz. Hinzu kam der nervige Lärm der Straße. Überall wo man hinsah Autos vor grauen Häuserwänden, die in den Himmel ragten. Kilometerweit keine Chance den Horizont zu sehen. Für mich eine beengende Atmosphäre.
Heiße Sommertage
Gerade im Sommer schätze ich das Dorfleben ganz besonders. Ich möchte ungern das schöne Wetter in überfüllten Parks, neben qualmenden Einweggrills und dröhnenden Bluetoothboxen verbringen oder in Menschenmassen auf der Rheinpromenade flanieren, während die ganze Stadt Lava ist. Im Sommer möchte ich mich auf mein Fahrrad schwingen, die leichte Fahrtbrise auf den Feldern genießen, mir im Hofladen frische Erdbeeren besorgen und mich im schattigen Waldrand oder am Rheinufer niederlassen. Am Abend möchte ich mit Freunden ein kühles Getränk im eigenen Garten schlürfen. Und wenn es sich auch auf dem Dorf mal nicht abkühlt, will ich durch das geheime Loch im Zaun des Baggerlochs schlüpfen und ins kalte Wasser springen.
Leider gibt es in meinem Dorf keine Universität und keine coole PR-Agentur, in der ich arbeiten kann, sonst würde ich hier wohl nie aus meinem Dorf rauskommen. Daher ist es wahrscheinlich gar nicht schlecht, dass ich zum Arbeite und Studieren nach Düsseldorf muss. Die restliche Zeit möchte ich dann aber doch lieber die ruhige, familiäre und autofreie Umgebung in meinem Dorf genießen.