Düsseldorf
Team Scheisse im zakk: Punk, Awareness, Energy!
Eine Konzertrezension von Hannes Rudolph
„Plastikflaschen und Dosen, die sammel‘ ich auf dem Balkon…“
An Team Scheisse kam man in den letzten Jahren in der alternativen deutschsprachigen Musikszene nur schwer vorbei. Am Dienstagabend gastierten die Bremer im ausverkauften zakk in Düsseldorf-Flingern. Anderthalb Stunden lang spielte die Gruppe um Sänger Timo Warkus ihre rohen Punksongs mit den absurd-witzigen und gleichzeitig oft gesellschaftskritischen Texten. Auf ein aufwendiges Bühnenbild oder übertriebene Publikumsanimation verzichteten die fünf Musiker. Stattdessen sorgte die Band dafür, dass sich jede:r beim Konzert wohlfühlen kann. Die Crowd war von der ersten Minute an elektrisiert. Team Scheisse stehen für Pogo, der auf eine besondere Art wohltuend ist.
Noch vor drei Jahren hatten Team Scheisse keinen einzigen Song offiziell veröffentlicht. Ende 2020, mitten im Corona-Lockdown, veröffentlichte die Band ihre erste EP. Ende 2021 erschien das Album „Ich habe dir Blumen von der Tanke mitgebracht (jetzt wird geküsst)“ auf SoulForce Records, dem Label des Produzenten-Duos KitschKrieg. Die Songs „Rein ins Loch“ und „Karstadtdetektiv“ wurden seitdem auf Spotify jeweils über 1,5 Millionen Mal gestreamt. Im Februar 2023 erschien das aktuelle Album „042124192799“. Seitdem ist die Band permanent auf Tour. Die Formation spielt längst nicht mehr nur in Szeneclubs und auf nischigen Punkfestivals: Dieses Jahr standen auch Auftritte auf großen Festivals wie dem Deichbrand, dem Juicy Beats oder dem Highfield auf dem Programm – teilweise sogar auf den Hauptbühnen.
Dass Team Scheisse mit ihrem krachigen, bewusst minimalistisch produzierten Sound auch über die Punkgrenzen hinweg so erfolgreich sind, ist ein kleines popkulturelles Phänomen. Sicherlich hat ein Auftritt im ZDF Magazin Royale im Frühjahr ihre Bekanntheit nochmals gesteigert. Jan Böhmermann hatte sich schon zuvor als Fan und Freund der Band bekannt. Auf ihrem aktuellen Album widmet Team Scheisse dem Satiriker sogar einen Song.
Auch wenn der Auftritt im zakk auf den ersten Blick wie eine primitive Party wirken mag: Immer wieder rückte die Band Gesellschafts- und Systemkritik in den Mittelpunkt. Besonders im Gedächtnis bleibt der Song „Frank“, in dem die Band auf tragikomische Weise Meldungen über gestohlene Waffen beim Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr verarbeitet.
Jede:r soll sich wohlfühlen
Team Scheisse sind Vorreiter darin, wie Bands auf Konzerten mit dem Thema Awareness umgehen sollten. Am Anfang des Konzerts wandte sich Sänger Warkus an die Crowd, um auf die Regeln hinzuweisen: „Lasst eure T-Shirts an. Tanzt niemanden an, der das nicht möchte. Grabscht niemanden an. Cis-Männer, macht den anderen ein bisschen Platz!“, rief er routiniert und eindringlich. Dieses Ritual sei schlechten Erfahrungen geschuldet, die die Band am Anfang ihrer Karriere gemacht habe. „Wir sind davon ausgegangen, dass diese Regeln selbstverständlich sind. Sind sie aber nicht. Das war ein Schlag ins Gesicht. Wir mussten Sachen unternehmen, damit wir noch Freude an unseren eigenen Konzerten haben“, erklärte Warkus dazu im Juli im Podcast Ruhestörung von ByteFM. Mehrfach während des Konzerts kündigte die Band einen FLINTA*-Moshpit an. Männer sollten sich während des nächsten Liedes zurückhalten, damit sich auch Menschen vor die Bühne trauen, die sonst am Rand stehen.
Der Stimmung im zakk schadete das nicht. Im Gegenteil, sie hätte kaum ausgelassener sein können. „Rich Kids“, „Panzerquartett“, „FA“, „Erfurt“, „EDK“ und „Disko“: Kaum ein Team-Scheisse-Hit erklang nicht im Laufe des Abends. Wer zum Team-Scheisse-Konzert geht, hat wahrscheinlich vorher schon die Erfahrung gemacht, dass die Songs ein bisschen zu catchy sind, um sie nicht immer wieder und wieder zu hören. Ein besonderes Highlight war der Song „Ich dreh mich nochmal um“, für den die Band eine Konzertbesucherin auf die Bühne bat, die sie mit einem Pfeifen-Solo unterstütze. Team Scheisse verweigern den Perfektionismus. Sie sind überzeugt, dass man gemeinsam feiern und für die gute Sache einstehen kann, ohne sich selbst dabei zu ernst zu nehmen. Am Ende des Konzerts besang – natürlich – das ganze zakk die Leergutrückgabe. Danach bleibt nur das wehmütige Scrollen durch den Instagram-Kanal der Band, auf dem sich eine eigene Meme-Kultur rund um die Band und ihre Songs gebildet hat. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Team Scheisse gehört zu den besten Livebands, die die deutschsprachige Musikszene derzeit zu bieten hat. Sie macht auf eine besondere Art extrem glücklich.
Junge Punkbands im Aufwind
Seit ein paar Jahren mischen junge Bands die deutsche Punkszene auf, die sich bewusst von älteren Punkgenerationen abgrenzen möchten. Sie wollen Musik mit Haltung machen, aber mit Humor, achtsamer und diverser. Die Nürnberger Band Akne Kid Joe rechnete etwa mit der AfD ab und thematisierte die Rolle als Frau in der oft noch männerdominierten Punkszene. Pogendroblem aus Bergisch Gladbach haben einen Song geschrieben, in dem sie ihr Konzertpublikum dazu auffordern, aus Respekt vor anderen Besucher:innen ihre T-Shirts während der Show anzulassen. Der Musikpodcast Pop&Rewind hat deshalb Anfang des Jahres 2023 als das Jahr des deutschen Punks ausgerufen. Die Mitglieder von Team Scheisse sind in der Szene dieser neuen Punkgeneration vernetzt. Mitglieder der Band sind auch in anderen Projekten aktiv, etwa bei Mercedes Jens und Burnout Ostwest.