brandneu auf der [97.1]

Retro ist sowas von in! Das beweisen wir ja praktisch jede Woche hier in dieser Artikelreihe, weil einfach sooo viele Songs gerade steil gehen, die eben auch Retro-Sound enthalten. Kaum jemand in der deutschen Musikszene sticht beim Retro-Sound aber so hervor wie Edwin Rosen. Mit seiner Mischung aus Neuer Deutscher Welle, sphärischem Trance und hektischen Breakbeats klingt jeder Song so, als wären wir gerade mitten in einem verrauchten Berliner Szene-Club im Jahr 1992. Kurz nach der Wende, alles noch 80er-verhallt, aber eben schon alles etwas deep-elektronischer. Auch Edwin Rosens neuer Song "21 Nächte wach" geht diesen Weg und ist der vielleicht tanzbarste Song, den er bisher gemacht hat.

Nach 20 Jahren im Musikgeschäft können Bands ihre Fans kaum noch überraschen, würde man meinen. Die Versailler Indiepop-Band Phoenix tut das jetzt aber direkt auf zwei Arten. Zum einen ist fast ihr komplettes neues Album in einem Museum entstanden und zum anderen haben sie sich für die Single "Tonight" erstmalig einen Gast für ein Duett eingeladen. Beim Museum handelt es sich um das Kunstgewerbemuseum im nördlichen Flügel des Louvrepalasts. Dort durften Phoenix während des Lockdowns ein eigenes Studio beziehen und die besondere Atmosphäre auf ihre Musik wirken lassen. Der Sound von "Tonight" erinnert ein bisschen an einen ihrer größten Hits, an "Lisztomania". Der Song hat viel positive Energie und ist sehr melodisch. Ein prägnanter Basslauf und ein Bett aus hohen Gitarren machen ihn super catchy. Der Gast, dessen Gesang dem Song im zweiten Part noch mal einen anderen Spin gibt, ist übrigens niemand Geringeres als Ezra Koenig von Vampire Weekend.

The Big Moon kommen aus Großbritannien und haben sich 2014 gegründet. Die vier Frauen bringen demnächst ihr viertes Album raus. Eine neue Single-Auskopplung ist der Song "Trouble". Der ist inspiriert von den Erinnerungen von Frontfrau Juliette. Als sie ihr Kind zur Welt gebracht hat, ist sie den Weg ins Krankenhaus gelaufen. Jetzt, in ihrer Erinnerung, scheint alles zu leuchten, als würde sie nicht durch das dreckige London, sondern durch die Welt von dem Zauberer von Oz laufen, so Juliette. Erinnerungen können also im Nachhinein ziemlich täuschen. Aber das muss ja nicht immer etwas Schlechtes sein, so sehen das zumindest The Big Moon.

Producer und DJ Mura Masa hat sie alle - die großen Namen und auch die Newcomer:innen - für seine wandelbaren, zwischen Genres stehenden Tracks. Die Tracks der letzten Wochen waren oft etwas experimenteller, härter. Da kamen Rap und Electro zueinander und haben einen super Soundtrack für die Straße oder den Clubabend geliefert. Mit "E-Motions" zeigt sich Mura Masa jetzt aber auch wieder von seiner weichen, souligen Seite. Dafür hat er sich die Künstlerin Erika de Casier als Feature-Gast geholt, die auch solo insbesondere in Großbritannien viele Fans hat. Wer diese Sound-Spagate näher untersuchen möchte: Das neue Album "Demon Time" ist seit dem 16. September auf dem Markt.

Nach Romy Madley Croft und Jamie xx hat mit Oliver Sim nun auch das dritte und letzte verbleibende Mitglied der britischen Band The xx ein Soloprojekt. Oliver Sim hat gerade sein Solo-Debütalbum "Hideous Bastard" veröffentlicht. Es ist ein Album, das sich besonders queeren Identitäten und dem Leben mit HIV widmet. Im Musikvideo zum Song "Romance With A Memory" treten ergänzend zur queeren Thematik in der Musik Drag Artists auf. Am Song selbst ist vor allem der Kontrast aus hohem und tiefem Gesang auffällig, der an vielen Stellen sogar soulig wirkt. Davon abgesehen sind in "Romance With A Memory" vor allem Klavier, Schlagzeug und Bass zu hören. Der Song kommt dadurch mit weit weniger Synthies, Samples und Electro-Effekten aus als die Songs von The xx und zum Teil auch weitere Nummern auf "Hideous Bastard".

Dass The Beaches ursprünglich als Pop-Punk-Band gegründet wurde, lassen die meisten ihrer Songs nicht unbedingt vermuten. Die klingen nämlich eher nach Alternative Rock mit Garagerock und Indie-Einflüssen. Doch was sie als Teenager, damals noch unter dem Namen "Done with Dolls", gespielt haben, könnte so geklungen haben wie ihre aktuelle Single "Grow Up Tomorrow". Aus der spricht nämlich eine rotzfreche Teenager-Rebellion, die mal so gar keinen Bock aufs Erwachsenwerden hat. Die "Fuck off"-Mentalität pubertärer Teenager ist für die vier Mittzwanzigerinnen vielleicht nicht mehr altersgerecht, wirkt im Song aber super authentisch und sympathisch. Dazu trägt auch das Musikvideo, ein klassisches amerikanisches House Party-Video, bei. Obwohl, ganz klassisch ist es nicht. Keyboarderin und Gitarristin Leandra Earl hat für das Video Freundinnen aus der queeren Community zu einer No Boys-Party eingeladen.

Wer kennt es nicht - man fühlt sich haltlos, hängt irgendwie in der Luft und weiß nicht so recht, wie es weitergehen soll. Man fragt sich, warum, wo man doch eigentlich schon viel weiter war. Dieses Im-Kreis-Rennen beschreibt Fil Bo Riva in seinem neusten Song "Running In Circles". Dabei geht es aber nicht nur um das Problem, sondern auch um die Lösung. Fil Bo Riva, der eigentlich Filippo heißt, sagt über den Song: "Dieser Song sagt, dass wir manchmal ins kalte Wasser springen und wirklich etwas im Leben ändern müssen, um uns von dem zu befreien, was uns daran hindert, eine bessere Version von uns selbst zu werden." Aktuell arbeitet Fil Bo Riva an seinem zweiten Album. Das soll irgendwann im nächsten Frühjahr erscheinen.

Wer sagt eigentlich, dass herzzerreißende Balladen nicht tanzbar sein können? Mercedes Thorne aka Merci, Mercy auf jeden Fall nicht. Die in Sydney lebende Singer-Songwriterin hat nämlich genau das perfektioniert. Sie singt über sehr persönliche und emotionale Themen wie psychische Gesundheit oder auch Sucht. Sie und ihre Musik strahlen dabei aber immer etwas Optimistisches aus und verhindern dadurch, dass wir uns wie in einem Therapiegespräch fühlen. Tanzbare Beats und abwechslungsreiche, immer wieder neu einsetzende, Instrumente sorgen dafür, dass uns Merci, Mercys schwere Themen trotz ihrer bittersüßen Melancholie nicht lähmen. In ihrer aktuellen Single "Into You" singt sie von einer vergangenen, unerwiderten Liebe, Enttäuschung und einer Wunde, die immer noch heilt. Ihre zuckersüße Stimme nimmt uns dabei mit auf eine Reise durch ihre persönliche Gefühlswelt.

Die schottische Band The Snuts bringt ihr zweites Album raus. Das soll "Burn The Empire" heißen und am 30. September erscheinen. Mit ihrem ersten Album sind sie 2021 auf Platz 1 der britischen Charts gelandet. Aus dem kommenden Release veröffentlichen die Schotten immer wieder Singles, zuletzt den Song "Knuckles", in dem es laut Sänger Jack Cochrane um Resilienz und Stärke geht: "Lyrically the track is inspired by the notion of the strong female spirit I’ve been lucky enough to be surrounded by throughout life." Eigentlich wollten The Snuts ihr neues Album schon jetzt veröffentlichen, pünktlich vor ihrer Tour durch Europa und Großbritannien. Die Plattenfirma soll das aber abgelehnt haben. Stattdessen gab es für die Fans den Song "Knuckles".