Kultur
Von SUVs und einem Generationenkonflikt - eine Rezension
„Du bist korrupt“, wirft die 17-jährige Tochter ihrer Mutter vor. Voller Sorge und Ärger blickt die Fridays For Future-Generation auf die Klimaentscheidungen ihrer Eltern und Großeltern.
Die Klimakrise spaltet die Gesellschaft in scheinbar zwei Parteien: Jung gegen Alt. Reform gegen Status Quo. Zwei Welten, die aufeinanderprallen? Ein Generationenkonflikt? Mit Ärger blickt die Fridays For Future-Generation auf die zurückliegenden Entscheidungen der älteren Generationen, und mit Sorge auf die Gegenwärtigen. Die Inszenierung „Volksfeind for Future“ nach Henrik Ibsen von Lothar Kittstein thematisiert überspitzt den Kampf zwischen Moral und Kapitalismus, wo jede:r entweder auf der einen oder auf der anderen Seite steht – für eine Position in der Mitte, einen Kompromiss, gibt es keinen Platz?
Das Theaterstück greift das Thema episodisch auf, in einem Wechsel aus eingespielten Videos und der Inszenierung auf der Bühne. Beides wird von vorrangig einem Gefühl dominiert: Zorn. Die Aktivist:innen aus den Videos bestehen aus Schüler:innen und Student:innen. Kenntnisreich und selbstbewusst fordern sie politische klimagerechte Handlung und weisen auf die Versäumnisse oder Missstände hin. Nicht minder dramatisch stellt das Bühnengeschehen selber die Dringlichkeit um die Klimakrise dar: In einer Stadt, über die die „Rheinische Rundschau“ berichtet, will die Firma Tesla ein Werk für Elektroautos hochziehen. 6000 neue Arbeitsplätze soll das Werk bringen, und dann noch für Elektroautos? Traumhaft, findet die Oberbürgermeisterin (Minna Wündrich). Der Gegenwind gerade durch die eigene Familie stößt auf Unverständnis bei der grünen Bürgermeisterin. Vor allem ihre 17-jährige Tochter (Cennet Rüya Voß) tritt für ihre Werte ein: „Du bist korrupt“, wirft sie ihrer Mutter an den Kopf und argumentiert mit einer Aggressivität, dass Elektroautos - unterm Strich - auch keine nachhaltige Alternative böten. Die Tochter wird zur Repräsentantin der Klimabewegung, unterstützt von ihrem kleinen Bruder (Charlie Schrein) und mit Anerkennung oder Bewunderung ihres Vaters (Glenn Goltz). Anklagend und scharf schießen sie gegen ihre Mutter, protestieren gegen das Werk und wenden sich an die Presse. Die unterschiedlichen Generationen diskutieren und streiten über das Bühnenbild hinweg, was vor allem durch die bunten Pappautos überzeugt. Wie Katz und Maus tanzen sie um die Autos herum, jagen sich quer über die Bühne und streiten bei dem Versuch, die eigenen Ziele durchzusetzen.
Lothar Kittstein überschreibt Henrick Ibsens‘ Klassiker „Volksfeind“ aus dem Jahr 1982 zeitgemäß. Mithilfe der Komponenten aus Video, Bühne und Sprache verdeutlicht er das Thema wie mit einem Neonschild und ebenso dessen Dringlichkeit. Weder die eine noch die andere Partei ist Herr über die Lage. So wirft das Stück, auch bei den Zuschauer:innen, die Frage nach Klimagerechtigkeit auf, wer in der Verantwortung steht. Mit der provozierenden und plakativen Sprache stockt einem an mancher Stelle fast der Atem. Trotzdem – oder gerade deshalb - fesselt einen das Stück mit seinen Argumenten, mit seinen Dialogen, seinem Hilferuf und seiner Anklage. Ursprünglich sollte das Stück im April im Düsseldorfer Schauspielhaus anlaufen. Aufgrund von Corona konnte die Uraufführung jedoch erst im September 2020 gezeigt werden. Und wie Vieles seit der Corona Krise, konnte auch die Uraufführung im September nur digital stattfinden.
Autor: Lothar Kittstein
Regie: Volker Lösch
Bühne und Kostüm: Carola Reuther
Chorleitung: Sandra Bezler
Video: Robi Voigt
Dramaturgie: Janine Ortiz
Dauer: ca 2 Stunden