Politik
Von Katzen Memes und Rechtspopulismus
Die AfD perfektioniert das Spiel mit den Sozialen Medien. Doch wie nutzt die Partei diesen Online-Vorteil und wie hat sich die politische Kommunikation durch Social Media verändert?
Das Internet ist ein seltsamer Ort. Man kann sich dort von Katzen-Memes, über Hitler-Dokus zur Liebe seines Lebens durchklicken. Lernen wie man einen Pick Up Truck baut oder sich für den guten Zweck mit Eiswasser übergießt. Innerhalb kürzester Zeit gehen Videos viral, Menschen werden berühmt und gecancelt und von Shitstorms überflutet. Laut der ARD/ZDF Online Studie 2020 steigt die Zahl der Internetnutzenden weiter an: 94 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren bewegte sich im vergangenen Jahr im Internet. Tendenz steigend. Auch die Tagesreichweiten und Nutzungsdauer hat sich gesteigert – 204 Minuten lang beschäftigen sich die Menschen durchschnittlich mit Online Angeboten. Damit steigt jedoch nicht nur die Zahl der TikTok Tänze, sondern auch politische und gesellschaftliche Diskurse verlagern sich zunehmend in die Online Welt. Politiker:innen verkünden Entscheidungen über Twitter, Wahlen werden über Facebook beeinflusst. Milliarden an Meinungen und Kommentaren, die mehr oder weniger frei geäußert werden können. Jede:r kann auf einmal Inhalte publizieren, zum/zur Blogger:in oder selbsternannten Expert:in werden. Nutzer:innen können nicht nur darüber entscheiden, was sie konsumieren, sondern auch, was sie veröffentlichen. Sogenannte Gatekeeper, also ausgebildete Journalist:innen und traditionelle Medien, die darüber bestimmen, welche Informationen veröffentlicht werden und welche nicht, verlieren an Bedeutung. Das verändert die politische Kommunikation – Profiteure sind vor allem Randparteien.
Social Media als Steigbügelhalter für Rechtspopulismus
Soziale Medien bieten eine neue Form des Austauschs zwischen Wähler:innen und Parteien. Letztere können in den direkten Dialog treten, persönliche, zielgruppenspezifische Botschaften senden und auf tagesaktuelle Ereignisse direkt reagieren. Facebook, Twitter und Co. bieten jedoch vor allem einen Vorteil: (kleinere) Parteien, die nur limitiert Zugang und Sichtbarkeit in konventionellen Medien finden, können dort ungehindert ihre, teilweise radikale, Rhetorik verbreiten, Grenzen austesten und überschreiten. Die Partei, die ihren Offline-Nachteil in einen Online-Vorteil umgewandelt hat und das Social Media Spiel in Deutschland beherrscht, ist die AfD. Insbesondere auf Facebook, einem der größten sozialen Netzwerke Deutschlands, dominiert sie. Mit über einer halben Million Follower:innen hat die AfD mehr digitale Anhänger:innen wie CDU und SPD gemeinsam und gibt dabei interessanterweise am wenigsten Geld für Facebook-Werbung aus. Es werden mehr Beiträge der AfD geteilt als von allen anderen Parteien zusammen, die Interaktionszahlen reichen in die Millionen. Auch wenn Klicks und Kommentare nicht gleich für Erfolg stehen, sind sie ein Indiz dafür, dass die Verbreitung der eigenen Standpunkte gelingt und diese außerdem ihren Weg in traditionelle Medien und die Öffentlichkeit finden.
Eine Erklärung dafür ist auch, dass Populismus, die Kritik an Eliten und dem System – Wut – auf Facebook Aufmerksamkeit generieren. Ebendiese Kritik funktioniert besser in der Opposition, für die AfD, die sich als einzige Partei in keiner Regierungskonstellation befindet, also eine gelegen kommende Strategie. Der Politik- und Digitalberater Martin Fuchs erklärt Web.de, das Wut-Emoji sei nicht zufällig das meistgenutzte Symbol der AfD Wählerschaft: „Wenn sich ein Post viral verbreitet, ist häufig Wut das zentrale Element.“. Die AfD weiß, wie sie mit rechtspopulistischer Rhetorik ihre Follower:innen triggern kann. Wenn der Fraktionschef Alexander Gauland davon spricht, politische Gegner:innen zu „jagen“, „politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte“ gehöre (Alice Weidel) und Parteimitglieder Äußerungen wie „Das Pack erschießen und zurück nach Afrika prügeln“ (Dieter Görnert) auf Twitter verbreiten, dann bleibt es fraglich, ob daraus konstruktiven Diskurse entstehen.
Wenn sich ein Post viral verbreitet, ist häufig Wut das zentrale Element.
- Politik- und Digitalberater Martin Fuchs
Gefangen in der Fake-News Spirale
Über die sozialen Netzwerke erreicht die AfD vor allem einen Teil der Bevölkerung, der konventionellen Medien nicht oder wenig vertraut. Eine Studie der Otto Brenner Stiftung zeigt, dass sich Menschen aus dem rechtsextremen Milieu sowie Anhänger:innen der AfD vermehrt über alternative Quellen im Internet informieren. Diese verstärken das Misstrauen in die traditionelle Presse jedoch zusätzlich. Menschen, die sich ausschließlich über ebendiese alternative Quellen informieren, neigen dieser Studie zufolge außerdem dazu, die Verfassung abzulehnen und Verschwörungstheorien anzuhängen. So können rechtspopulistische Parteien wie beispielsweise die AfD, Ideologien und falsche Fakten an ein großes Publikum verbreiten und Themen in ihren ganz eigenen Rahmen setzen. Beispiele dafür sind die Leugnung des anthropogenen Klimawandels oder das Herunterspielen der Corona-Pandemie.
Zum einen können im Internet bereits wenige User:innen den öffentlichen Diskurs beeinflussen und fragwürdige Informationen rasant an ein großes Publikum verbreiten. Zum anderen sind Nutzer:innen mit skeptischen Ansichten meist „lauter“ und machen widersprechende Meinungen nieder. Deshalb besteht die Gefahr, dass sich eine grundlegende Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Fakten und Arbeitsweisen sowie gegenüber Institutionen und der Regierung etabliert.
Haben Online Diskussionen Auswirkungen in der „realen“ Welt?
Verschwörungstheorien können im Zweifel eine Gefahr für den Rechtsstaat darstellen. Offensichtlich fehlt es an Wissen für den Umgang damit. Demokratiefeindliche Stimmen können in Sozialen Netzwerken zu Meinungsmachern werden und Online Diskussionen schnell zu Offline Aktionen. Versuche, solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, wirken oftmals hilflos. Zwar werden Teile der Organisation „Querdenken“ vom Verfassungsschutz beobachtet, dennoch sinkt die Pressefreiheit in Deutschland auf „zufriedenstellend“ nach gehäuften Angriffen auf Medienvertreter:innen bei Anti-Corona Demonstrationen. Ob Initiativen wie das kürzlich verabschiedete Gesetz zur Hasskriminalität im Netz Morddrohungen in Kommentarspalten verhindern kann, wird sich zeigen. Derweil schleusen AfD Abgeordnete Besucher:innen in den Bundestag ein, welche Politiker:innen massiv bedrängen und beleidigen. Immer wieder fallen Politiker:innen der Partei zudem durch rassistische oder anderweitig diskriminierende Äußerungen auf. – Mit solchen kalkulierten Tabubrüchen schafft die AfD es nicht nur Aufmerksamkeit zu generieren, sondern auch eine Agenda zu setzen. Die eigentliche Diskussion rückt in den Hintergrund, während die Grenzen des Sag- und Machbaren verschoben werden. Auf den Social Media Plattformen der Partei hat sie dieses Spiel perfektioniert.
Im Internet wird Unsagbares ausgesprochen und salonfähig gemacht. Grenzen solange überschritten, bis diese sich verschieben. Unwahrheiten so lange wiederholt bis Zweifel an den Fakten entsteht. Es ist daher an der Zeit, dass Politik und Gesellschaft die Dimensionen und Risiken von rechtspopulistischen Ideologien und verschwörungstheoretischer Inhalte im Internet erkennen. Schon jetzt ist abzusehen, dass im kommenden Bundeswahlkampf Soziale Medien eine noch entscheidendere Rolle spielen. – Die AfD wird kaum Katzen-Memes auf Facebook verbreiten.