Wissenschaft
Einfach nur unmusikalisch oder doch Amusie?
Ein Beitrag von Tamara Uhrmann
Amusie ist eine bis jetzt eher wenig erforschte angeborene Wahrnehmungsstörung. Die Betroffenen, sogenannte Amusiker:innen, können keine Melodien erkennen. Sie können zum Beispiel verschiedene Lieder nicht anhand ihrer melodischen Abfolgen unterscheiden. Deswegen empfinden Amusiker:innen Musik als ziemlich störend und bekommen davon häufig Kopfschmerzen.
Auch sind sie sozialem Druck ausgesetzt, da viele gesellschaftliche Aktivitäten mit Musik verbunden sind. Außerdem ist bisher wenig über Amusie bekannt, weswegen die Betroffenen mit ihrem Problem oft auf Unverständnis treffen.
An der Heinrich-Heine-Universität forscht Dr. Jasmin Pfeifer zum Thema Amusie. In ihrem Büro fallen sofort die vielen Poster und Bücher auf, die sich mit der Wahrnehmungsstörung befassen. Auf ihrem Tisch liegen viele verschiedene Dokumente und Zeichnungen. Es sind Tests mit denen die Forscherin bei Proband:innen Amusie erkennen kann.
Der Fahrradtest
Bei diesem Test soll ein Fahrrad so detailliert wie möglich gezeichnet werden. Dr. Pfeifer nutzt diesen als Einstiegstest, da sie bisher noch nie eine Amusiker:in erlebt hat, „die ein detailiertes Fahrrad zeichnen kann“. Auffällig ist, dass die Fahrräder der Amusiker:innen meist sehr klein und einfach gezeichnet sind, im Gegensatz zu den groß und stark detailliert gezeichneten Fahrrädern von Personen ohne Amusie. Das muss nicht heißen, dass man zwangsläufig Amusie hat, wenn man kein detailliertes Fahrrad zeichnen kann.
Allerdings liegt der musikalische Bereich im Gehirn im gleichen Areal, wie das räumliche Denken. Forschende vermuten daher eine Verbindung zum räumlichen Denken, da Amusiker:innen damit häufig Schwierigkeiten haben. Eine andere Verbindung zwischen diesen beiden Komponenten besteht jedoch nicht. Man braucht, um musikalisch zu sein, kein räumliches Denken, beides wird nur nebeneinander im Gehirn verarbeitet.
Gleiche oder unterschiedliche Melodien?
Um endgültig zu erfahren, ob eine Person von der angeborenen Wahrnehmungsstörung betroffen ist, ist ein einstündiger Hörtest notwendig.
Dabei werden jeweils zwei Musikpaare vorgespielt, bei denen man entscheiden muss, ob die Musikpaare gleich oder unterschiedlich sind. Bei diesem Test erkennen Teilnehmende mit Amusie keine Unterschiede zwischen verschiedenen Tonabfolgen, -höhen oder Geschwindigkeiten. Der Test beinhaltet 180 solcher Musikpaare und ist auch für Nicht-Amusiker:innen aber insbesondere für Amusiker:innen äußerst anstrengend.
Amusie ist derzeit nicht heilbar, jedoch werden Versuche mit sogenannten Hirnstimulatoren zur kurzzeitigen Linderung der Kopfschmerzen durchgeführt. Dieses Vorgehen wird aktuell zur Therapie von Migräne und Tinnitus genutzt.
Alltägliche Herausforderungen
Dr. Pfeifer berichtet von einem Mädchen, dass von seinen Eltern zum Klavierunterricht geschickt wurde. Sie konnte das Klavierspielen aber einfach nicht erlernen. Die Tests auf Amusie werden normalerweise nicht an Kindern durchgeführt, jedoch war der Vater des Kindes Amusiker und daher lag es nahe, dass sie auch betroffen sein könnte. Nachdem bei ihr Amusie diagnostiziert wurde, durfte das Mädchen mit dem Klavierunterricht aufhören.
Viele soziale Aktivitäten von Menschen haben etwas mit Musik zu tun. Das führt bei Amusiker:innen neben Beschwerden wie Gereiztheit und Kopfschmerzen auch zu sozialem Druck. Auch haben sie als Schüler:innen aufgrund ihrer angeborenen Wahrnehmungsstörung Nachteile im Musikunterricht und bekommen daher eher schlechte Noten.
Erforschung von wenig dokumentierten Sprachen
Niklas Wiskandt forscht über Sprachen, die kaum bis keine Literatur aufweisen. Um Informationen über diese Sprachen zu sammeln, wird linguistische Feldforschung betrieben, die Forschenden gehen also eigentlich auf Expeditionsreisen in die jeweiligen Länder, um dort die Grammatik und Sprachmuster zu dokumentieren.
Um wenig dokumentierte Sprachen zu erforschen, muss man aber nicht unbedingt weit reisen, da schon alleine in Düsseldorf Muttersprachler:innen von bis zu 100 verschiedenen Sprachen leben. Die Sprachmuster dieser Sprachen kann man anhand von Storytelling ausarbeiten.
Um realistische Sprachdaten zu ermitteln, wird den Muttersprachler:innen zumeist auf Englisch eine Bildergeschichte gezeigt und erzählt. Diese Geschichte müssen die Proband:innen dann in ihrer Muttersprache wiedergeben. So lassen sich grammatikalische Sprachmuster und Einheiten erkennen und auswerten. Im Deutschen kann man zum Beispiel Wahrscheinlichkeiten ausdrücken, die im Englischen so nicht möglich sind.Die Grammatik einer Sprache wird somit durch das Vergleichen von der Reihenfolge der Wörter, das Abgleichen mit Wörterbüchern und das Besprechen mit den Muttersprachler:innen selber, herausgearbeitet und dokumentiert.